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Die Wannseekonferenz   (Conspiracy)
von Frank Pierson, 2001

So war es nicht, aber so könnte es gewesen sein. Die Verfilmung um das Geschehen am 20. Januar 1942 in dem beschaulichen Haus am Wannsee greift die wesentlichen Grundelemente auf, diverse Details wurden geändert. Wer ein Dokumentarspiel a la G. Knopp erwartet wird enttäuscht.

Der Film handelt von jener geschichtsträchtigen Sitzung, in der 15 ranghohe Vertreter von Nazideutschland die bürokratischen Richtlinien zur Endlösung der sogenannten Judenfrage beschlossen. Unter dem autoritären Vorsitz von Reinhard Heydrich wird verhandelt, diskutiert, beschworen und unter Druck gesetzt. So ist der Film dialoglastig. Und Handlung findet in den Gesichtern und in den Auf- und Abgängen der Beteiligten statt. Der Film ist die Folie für das Wissen der Nachgeborenen. Sind diese wenig über das damalige Komplott (so der Originaltitel) am Wannsee unterrichtet, umso abrufbarer ist die Kenntnis, was der Konferenz folgte. Während im Film über die Tötung Millionen von Juden gesprochen wird, hat der Zuschauer die Bilder des grauenhaften Geschehens nach der Tagung vor Augen. Dass der Zuschauer trotzdem das Papier selten rascheln hört, liegt an der Kunst der rasanten Bildschnitte (Peter Zinner, Cutter der Filme Der Pate und Der Pate II). Sowie an der Kunst der Darsteller. Allen voran Kenneth Branagh. Dieser spielt den musikkundigen R. Heydrich mit einer durchtriebenen Kälte und einer Gabe der subtilen Manipulation, dass einem der Atem stockt. Adolf Eichmann, der Referent von Heydrich, wird von Stanley Tucci als stichwortgebender Lakai dargestellt. Zahlensicher und bestens in den technischen Fragen der perfiden Massenvernichtung vorbereitet pariert er jedes noch so kleine Aber eines zweifelnden Sitzungsteilnehmers zu Gunsten seines Vorgesetzten und dessen Plan. Kurz:

Der Film dient nicht zur wohlfeilen Unterhaltung in weinseliger Runde. Wer aber an deutscher Geschichte und guten Darstellern interessiert ist, dem sei der Streifen empfohlen.

Januar 2010



Elizabeth
von Shekhar Kapur, 1998

Der Film zeigt die ersten fünf Jahre der bekannten englischen Herrscherin. Ein Film aus dem Machtzentrum mit all seinen Intrigen und bunten Rangelein rund um die Tische und Betten. Wenige Szenen außerhalb der Palastmauern schmücken die Kammerspiele mit der gleichen Spur von aufgeschnittenen Kehle, abgetrennten Gliedmaßen oder aufgespießten Köpfen.

Schwierig für den geschichtlich unkundigen Zuschauer, die verqueren Winkelzüge und halbherzigen Zusammenhänge zu erkennen oder die notgedrungenen diplomatischen Schlüsse der vielen handelnden Personen zu verstehen. Auf der anderen Seite hätte bei dieser Verfilmung eine allzu weitreichende Geschichtskenntnis der Tatsachen um 1554 den Filmgenuss nur geschmälert. Der Film, so das Urteil der Kritik, hält sich selten an die historischen Fakten. Ein Makel ist diese mangelnde Treue nicht.

Cate Blanchett spielt die Königin mit der gewohnten Melange aus verliebter Unbeschwertheit und jungfräulicher Verhärmtheit.

Januar 2009



Shutter Island
von Martin Scorsese, 2010

Mit Verwirrspielen ist das so eine Sache. Wenn man meint, den roten Faden gefunden zu haben, steht man auch schon wieder mit leeren Händen da.

Martin Scorsese hat mit seinem Film Shutter Island ein solches verwirrende Spiel der tausend Wege erschaffen. Der US-Marshal Edward Teddy Daniels soll mit einem Gefolgsmann eine entflohene Kindermörderin finden. Und dies auf einer Gefängnisinsel, die so lauschig ist wie das Wetter mit seinem Sturm und Dauerregen. Jedoch findet sich Daniels zunehmend mit sich konfrontiert. Blutige Tag- und Nachtträume überfallen ihn und nehmen mit ihrer halluzinativen Wucht sein Denken in Besitz. Er sieht Gespenster und glaubt einer Verschwörung auf der Fährte zu sein. Schließlich stellt sich für ihn wie für den Zuschauer heraus, dass (natürlich) alles ganz anders ist.

Scorsese liefert, dank der Kamera von R. Richardson (Inglourious Basterds), stimmungsvolle Bilder. Die Hauptfarben wechseln unaufgeregt zwischen grau, weiß und schwarz. Die Naturgewalt auf der Insel und die Musik agieren als zwei unabhängige Figuren der Handlung. Leider stoppt Scorsese diese immer wieder, als traue er sich selbst und seinem Erzählen nicht über den Weg. So geraten etwa die gewaltigen Alpträume von Daniels zu simplen Erklärungen. Auf Dauer wirkt das ermüdend, schlimmer noch, es langweilt. Dann lieber einen einfältigen Lückentext, da kann man sich wenigstens am Ende der eigenen Inkompetenz bezichtigen.

Leonardo DiCaprio bemüht sich den US-Marshal leidenschaftlich zu spielen. Und genau dies ist sein Problem: DiCaprio spielt einen US-Marshal. Irgendwie nimmt man ihm einen seelenkranken Beamten mit Vergangenheit nicht ab. Überhaupt: Wenn er den lebenskundigen, erfahrenen Boss herausstellt, wird er gänzlich lächerlich. Dagegen kommen Ben Kingsley als Chefarzt Dr. Crawley und Mark Ruffalo als Chuck Aule glaubwürdig, integer rüber. Selbst ein Max von Sydow kann mit seiner diabolischen Rolle als Dr. Naehring punkten. Ihnen allen ist nicht jene Angestrengtheit anzumerken, unter der DiCaprios Figur leidet.

2011/2015



Der Ghostwriter
von Roman Polanski, 2010

Ein junger Autor, der sich Ghost nennt, gespielt von Ewan McGregor, kommt aus einer Mischung von Zufall und Schnoddrigkeit an einen Riesenauftrag. Er soll den Platz eines unter seltsamen Umständen ums Leben gekommenen Ghostwriters einnehmen. Seine Aufgabe ist so einfach wie schwierig: Er hat die Memoiren des ehemaligen britischen Premiers Adam Lang, gespielt von Pierce Brosnan, zu schreiben. Dass er sich dabei als schreibender Ghost mehr und mehr in ein dunkles Gebäude verstrickt verwundert nicht. Das gleichsam wie ein Gefängnis abgesicherte Ferienhaus des Ex-Premiers auf der Atlantikinsel blendet mit beschaulichen Zimmern. In Wirklichkeit tragen die Räume Namen wie Intrige, Lüge oder Mord. Kurz: Regisseur Roman Polański ist in seinem Element. Und diesmal bzw. wieder in einem vor allem feuchten Element. Erinnert sei an Polańskis Einstand Das Messer im Wasser von 1962, seinen 1975 prämierten Film Chinataown oder Eine reine Formalität von 1994. Der Ghostwriter spielt größtenteils an der Küste, auf einer Fähre oder im Regen. Und wenn es mal nicht regnet, hat es gerade aufgehört. Polański erzählt linear, schnörkellos und mit wenigen Überraschungen. Das Buch Ghost stammt von Robert Harris, einem ehemaligen Freund des ehemaligen Premiers Tony Blair. Keine Frage, Der Ghostwriter hat alles, was ein Filmherz höher schlagen lässt. Wenn auch hier und da die Geschichte etwas dick aufgetragen (Liebelei zwischen dem Ghost und der Ex-Premier-Dame) und zu durchsichtig daherkommt (was den späteren Attentäter angeht). Aber Polański ging es wohl in seinem Film nicht um jene Spannung, die seinen Film zum Reißer gemacht hätte. Wie stets geht es ihm um den subtilen Grusel, der zwischen den Menschen herrscht. Polański greift nach Höherem. Er greift nach Hitchcock. Und Polański kann sich um einen Platz neben dem Altmeister sicher sein. Heute schon - mit oder ohne Fußfesseln.
Der Schotte McGregor geizt nicht mit seinen Talenten, er spielt angenehm unschuldig und naiv. Brosnan, neben seiner Dauerrolle des ewigen Schönlings, gibt hier einen verunsicherten, launigen, aufgesetzt fröhlichen Ex-Premier.

2010/2013



Insomnia – Schlaflos
von Christopher Nolan, 2002

Dies vornweg: Wer den Film zum ersten Mal verfolgt, der könnte danach Probleme mit der Nachtruhe bekommen. Insomnia – Schlaflos besitzt jene Sogwirkung, von der maximal ein Elefant unbeeindruckt bleibt.

Der Ermittler Dormer wird mit seinem Partner nach Alaska geschickt. Daheim in L.A. laufen gegen sie polizeiinterne Ermittlungen. Nun haben sie einen Mord an einer jungen Frau aufzuklären. Im dichten Nebel kommt es bald zu einer Verfolgung, bei der Dormer seinen Partner erschießt – mit oder ohne Absicht, dies bleibt in der Schwebe. Spätestens ab da besitzt Insomnia – Schlaflos zwei Handlungsläufe, die erst nach und nach wieder in eine Handlung mündet. Indem Dormer versucht, seine Schuld den noch unbekannten Mörder in die Schuhe zu schieben, bringt ihn genau dieses Unterfangen auf die Spur und gleichzeitig in die Fänge des Täters.

Al Pacino spielt den Ermittler Dormer. Mal ist er der distanzierte Kotzbrocken, dann wieder der umsichtige Charmeur. Dormer hadert nicht nur mit den taghellen Nächten von Alaska. Und doch ist es die Schlaflosigkeit, die ihn zu dem werden lässt, wer er ist. Wenn man dem Volksmund bisher misstraut hat, dass einem die Dämonen nicht schlafen lassen, spätestens bei den Bildern wird man seine Niederlage einräumen. Wie Pacino zunehmend grauer und fahler wird, allmählich verfällt, ja scheinbar schrumpft, wie er den physischen wie psychischen Begleitumständen seiner Übermüdung Herr werden will, ist grandios! Die Darstellung versöhnt mit der schmalbrüstigen Dutzendware, die gewöhnlich aus der Mattscheibe rieselt.

Robin Williams gibt den wunderlichen Autor und Mörder namens Finch. Zunächst fällt es schwer, Williams Wandlung vom Klamauk- zum Charakterdarsteller nachzuvollziehen. Aber gerade weil Williams eben nicht den üblichen Harmlosen gibt, verstört sein Auftritt umso heftiger.

Juni 2010 / Januar 2013

 



Wenn die Gondeln Trauer tragen
von Nicolas Roeg, 1973

Im Jahr 1968 überraschte und erschreckte gleichermaßen R. Polanski das Publikum mit seinem Film Rosemaries Baby. 1971 folgte, von einem anderen Regisseur, Der Exorzist. 1973 schließlich betrat Wenn die Gondeln Trauer tragen das Dunkel der Kinosäle.

Dieser Film ist ein Meisterwerk. Ein Meisterwerk, weil er sich in erster Linie gegenüber allen nachfolgenden Filmen ähnlicher Thematik noch immer behauptet (Das Omen oder Carrie, beide aus dem Jahr 1976, seien genannt). In zweiter Linie, weil sich der Streifen zum ‚Zweiten Gesicht’ äußert und nicht der schlichten teuflischen Begegnung das Wort redet.

Der Film erstaunt vor allem durch seine Kamera und deren Führung. Der Regisseur Nicolas Roeg war lange vor dem Film selbst Kameramann. Die Unruhe, wie die Bilder eingefangen sind, trägt maßgeblich zur Spannung des Films bei. Logisch bei dieser Art der Bilder, die nie hektisch oder aufgeregt wirken, ist die Schnitttechnik, die die Bilder miteinander montieren. Dabei gilt der sehenswerte Gipfel der Montagetechnik nicht etwa der gern beschriebenen Sexszene. Die ist zwar mächtig lang geraten und mutig und trotzdem aufgesetzt und zu bewusst der düsteren Handlung gegenüber gestellt. Die Montage der Unheil ankündigenden Bilder beginnt bereits in den Eingangsszenen des Films. Das Ehepaar sitzt im Haus und geht seinen Beschäftigungen nach. Draußen spielen die Kinder. Durch den Schnitt der Bilder wird schnell klar, was und wem etwas zustößt.

Diese Verflechtungen verschiedener, dennoch zusammenhängender Handlungen, nach dem Motto, es gibt keinen Zufall, setzen sich durch den ganzen Film fort und zeichnen ihn aus. Höhepunkt der Schnittfolge ist die letzte Szene des Films. Der Restaurator John liegt mit offener Halsschlagader auf dem Boden. Die Bilder, die dem sterbenden John vor Augen treten, verfolgt auch der Zuschauer.

Nach dem Tod von John sieht der Zuschauert eine Szene das zweite Mal, eine Szene, die John noch vor seinem Tod erlebt und die ihn aus einem anderen Grund beunruhigte. Seine Frau steht auf einem mit Trauernippes geschmücktem Boot und begleitet einen Sarg zur letzten Ruhestätte. Durch das abermalige Spielen der Szene wird klar, dass John unmittelbar vor seinem Tod seine Beerdigung als Lebender gesehen hat.
Der Vollständigkeit wegen sei noch unbedingt erwähnt, dass der Film ungemein intensiver ist als es Daphne du Maurier mit ihrer gleichnamigen Kurzgeschichte gelingt. Dass die Autorin die Vorlage für den Film Die Vögel von Alfred Hitchcock lieferte soll an dieser Stelle ebenfalls noch rasch gesagt sein.
2008



16 Blocks
von Richard Donner, 2006

Bruce Willis als gebeutelter, illusionsloser, also moderner Cop Jack Mosley. „Das Leben ist zu lang“, meint er an einer Stelle. Und: „Das Wetter ändert sich. Der Mensch ändert sich nie.“ Er hat einen farbigen Ganoven vom Polizei- ins Gerichtsgebäude zu bringen. Der Kleingauner wird von Mos Def gespielt, der eher als Musiker bekannt sein dürfte. Willis hätte wohl das Spiel des versoffenen Bullen verweigert, wenn auf dem kurzen Stück des Weges, 16 Blocks eben, nicht einiges passieren würde. Hier und da blitzen Ideen auf, die gut und gern in einem der Endlosstreifen von Stirb langsam gepasst hätten. Und ähnlich wie in der erwähnten Filmreihe verliert sich bald die leise Ahnung, weshalb der Bulle den krachenden Schlammassel auf sich nimmt. Es gilt nur noch das Happy end zu erreichen, koste es, was es wolle. Der Mensch kann sich, oha! doch ändern. Und der Film hat einiges gekostet. Und dabei weniger als die Hälfte von dem wieder eingespielt. Deshalb wohl auch die TV-Ausstrahlung nach knapp zwei Jahren Kinostart.
Versucht sich Willis als Charakterschauspieler, so bemüht sich Def um den heiteren Part. Doch dass allein ein Plappermaul noch lange keinen Humor bringt, weiß man spätestens seit Eddie Murphy. Dennoch wartet der Streifen mit allerlei Wendungen auf, die, weil unlogisch, dem Ganzen den nötigen Unterhaltungswert verleihen. Zu erwähnen wäre noch, dass bei dem Filmgeschehen fast die Echtzeit eingehalten wird. Dies hat einen gewissen Reiz. Und: David Morse, bekannt aus Green Miles, spielt den fiesen, Kaugummi kauenden Oberbullen.
2011